Monsieur, wir sehen uns wieder!

Holzchnitt von Michael Römer michaelroemer-art.de

Der Briefwechsel Christa Wolf und Franz Fühmann

Franz Fühmann(* 15.Januar 1922 zu Rochlitz/Isergebirge – 08.Juli 1984 Berlin)

Christa Wolf(* 18. März 1929 in Landsberg an der Warthe – 01. Dezember 2011 Berlin)

Die Briefe und Notizen zwischen Franz Fühmann und Christa Wolf lassen das Publikum eintauchen in die Zeit der kleinen und großen Widerstände, Nöte und Hoffnungen der 60er, 70er und 80er Jahre in der DDR. Zwei außerordentliche Schriftsteller, die einander Einblicke in ihr Werk und  ihr Leben geben. Politische Umstände führen zu heißen Diskussionen, Verweigerungen, Schreibblockaden. Der Abend gibt den Blick frei auf ein untergegangenes Land und seine Denker, das und die längst nicht vergessen sind.

Bilder und Musik unterstützen eine Zeitreise, die ins Heute führt. Deutungen, Erklärungen und das Bewahren bleiben bei uns.

Christa Wolf:        Marlies Ludwig

Franz Fühmann:    Peter Hiller

Texte:                 Rike Eckermann

Live-Musik:           Ulrich Herrmann

Eine Produktion der LeseGuerilla, Idee und Einrichtung: Rike Eckermann

Mit freundlicher Genehmigung von Aufbau Verlag Berlin, hinstorff verlag rostock und henschel

Technik: 3 kleine Tische und Stühle, 1 Beamer, eine Wand oder Fläche, auf die projeziert werden kann, ein Stromanschluß. Alles mit Absprache.

Pressestimmen

Sächsische Zeitung, 2. April 2014

Zwiegespräch zwischen zwei großen Schriftstellern

Du sollst Dich nicht verhärten, oder verbittern, oder vertrauern!

Martin Schmidt lenkt seit vielen Jahren die Geschicke des Kunstvereins Hoyerswerda.Er lud Christa Wolf und Franz Fühmann bereits zu DDR-Zeiten zu Lesungen nach Hoyerswerda ein.

Eine Matinee von Rike Eckermann zu Christa Wolf( 1929-2011) und Franz Fühmann (1922-1984) 

Es ist äußerst selten, dass sich zwei Schriftsteller ein Leben lang achten und verstehen, dass sie sich mit Respekt und Liebe begegnen, ohne Eifersucht und Neid auf Ruhm und Publikumserfolg des anderen. Das ist besonders bemerkenswert, wenn sich beide auf einem geistig sehr anspruchsvollen Terrain bewegen: Christa Wolf und Franz Fühmann.

Rike Eckermann, Schauspielerin aus Berlin, hatte die Idee zur Gestaltung einer Matinee, die den Briefwechsel dieser beiden Dichter von 1968 an bis zum Tod von Franz Fühmann im Jahr 1984 in den Mittelpunkt stellt. Mit den Stimmen von Rike Eckermann und Ines Burdow, sowie Hans-Jürgen Pabst wurden diese Jahre sehr bewegend gestaltet; nicht zuletzt auch durch die musikalische Begleitung einer E-Gitarre, die Ulrich Herrmann so phantastisch gebrauchte, als wäre diese ein Stück Musik und Sprache zugleich. Zum Schluss sparten die Zuhörer nicht mit Lob, zumal sich einige an die Lesungen von Christa Wolf und Franz Fühmann in diesen besagten Jahren beim Freundeskreis in Hoyerswerda erinnerten.

Die Zeit zwischen 1968 und 1984 ist in der DDR geprägt von einer spürbaren Abkehr des Staates von seinen ursprünglichen sozialistischen Idealen. Der Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR, die Ära der zunehmenden Verstaatlichung des Schriftstellerverbandes und die Ausbürgerungen namhafter Schriftsteller sind gravierende Fehlentwicklungen. Diese werden in dem Briefwechsel zwischen Christa Wolf und Franz Fühmann thematisiert, einerseits wütend attackiert und andererseits aufrichtig betrauert. In einem Zwiegespräch zwischen Ines Burdow, alias Christa Wolf und Hans Jürgen-Pabst, alias Franz Fühmann, sind außerdem Textstellen aus Franz Fühmanns vielseitigen Essays, Kinderbüchern und Erzählungen mit Stellen aus Christa Wolfs „Kindheitsmuster“ oder „Kein Ort. Nirgends“ ebenfalls in einen Dialog gestellt. Man glaubt fast, es handle sich um ein homogenes Werk, um eine Dichtung, die von unterschiedlichen Ausgangspunkten heraus zur einer gemeinsamen Erkenntnis gelangt.

Eindringlich auch die Briefe beider an offizielle Stellen des Landes zu Frage der Freiheit im Denken und Schreiben, Anprangern von Interviews und Diskussionen, die immer so geführt werden, dass nur einer zu Wort kommt, die allmächtige Partei. Da ist es gut, wenn man mit Gleichgesinnten kommunizieren kann.

Franz Fühmann: Liebe Christa, hab Dank für Deine Karte, sie ist genau im richtigen Augenblick gekommen. Der liebe Gott der Schriftsteller macht´s schon, dass wir einander finden, wenn wir einander brauchen. Es ist wohl das Wichtigste, dass man da ist. Ahoi Franz.

Sie machen sich gegenseitig Mut, immer wieder das Ihrige zu tun, nicht wegzusehen oder wegzulaufen. Christa Wolf mahnt fast liebevoll: Du sollst Dich nicht verhärten, oder verbittern, oder vertrauern! Es ist wichtig, dass wir schreiben.

Beide glauben, jede Zeit bringt notwendig die Schriftsteller und Künstler hervor, die sie hervorbringen muss… Folglich wäre diese Zeit ohne Christa Wolf und Franz Fühmann um Vieles ärmer gewesen.

31.03.2014 Von Christine Neudeck

Artikel-URL: http://www.sz-online.de/nachrichten/zwiegespraech-zwischen-zwei-grossen-schriftstellern-2808311.html


Lausitzer Rundschau, Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 01. April 2014 um 10:55 Uhr

Die Lese Guerilla führt durchs neue Deutschland

Bei der Sonntagsmatinee des Kunstvereins wird der Briefwechsel von Christa Wolf und Franz Fühmann aktuell

Hoyerswerda

Ganz offiziell zu Gast unter den weißen Kuppeln des Schlosssaales war zu einer bewegenden Sonntagsmatinee die „LeseGuerilla“ aus Berlin. Der 85.Geburtstag von Christa Wolf bot dem einladenden Kunstverein und zahlreichen Gästen Gelegenheit, der Schriftstellerin durch den Spiegel ihrer Briefe an Franz Fühmann direkt in die verwundete Seele zu schauen. „Lieber Franz, … so sitzen wir auf unseren voneinander entfernten Liegenschaften und brüten über Briefen an den König“, liest Ines Burdow mit sinnschwerer Simme aus einem Brief Christa Wolfs an Franz Fühmann aus dem Mai 1979. „Ich habe plötzlich das Gefühl einer Endzeit“, zitiert Hans-Jürgen Papst Fühmanns Eindruck aus dem darauf folgenden Winter.

Es ist nicht der Alltag ihres Heimatlandes, über den die Autoren sich in einem stetigen Schriftverkehr verständigen. Es ist der Rahmen, in den sich der Alltag in der DDR einpasst, und den die Dichterfreunde aus der ihnen eigenen distanzierten Perspektive analysieren. Die Gäste einer bemerkenswerten Lesung erfuhren, mit welcher Konsequenz Wolf und Fühmann ihre Sorge um Gedankenfreiheit und Menschenwürde im Blick behalten, auch wenn durchschaubare Gewalten das Blickfeld sukzessive vernebeln, bis Mauern es völlig verstellen.

Vier Künstler stellen sich dem Auditorium als „Lese Guerilla“ vor. Die Schauspielerin Rike Eckermann ist mittig auf der Bühne und in der Dramaturgie platziert. Sie vermittelt, ordnet, ergänzt den Tenor eines zutiefst persönlichen Briefwechsels, den Inès Burdow und Hans-Jürgen Papst einem vergangenen Zeitgeist entreißen, um die seither unbeantworteten Fragen wieder aufzuwerfen. „Das dritte, neue, gültige Wertesystem ist nicht in Sicht“, liest Rike Eckermann eine bittere Erkenntnis Christa Wolfs und schickt die Botschaften auf einer Grußkarte aus dem 20. Jahrhundert in das Publikum. „Das Gefühl der Vergeblichkeit hat sich mir zu tief eingefressen“, verschärft Inès Burdow die Verzweiflung, die Wolf ihrem Freund vor die Füße wirft. „Jede Zeit bringt notwendig die Künstler hervor, die sie hervorbringen muss“, liest Hans-Jürgen Papst.

Die Matinee-Gäste erleben, wie sich die widerspenstigen Intellektuellen in den Grenzen ihrer Denkheimat winden, unterstützt durch die emphatischen Improvisationen des philosophischen Gitarristen Ulrich Herrmann, der die schmale sozialistische Themenvielfalt auf Variationen untersucht. Seine Jazz-Gitarre flüstert oder schreit die Wut der Eingeschlossenen in ihre Texte.

„Der liebe Gott der Schriftsteller macht’s schon, dass wir einander finden“, zitiert Christa Wolf ihren Seelenverwandten im Sommer 1984 an dessen Grab.

Es scheint, als führe derselbe Gott die Lese Guerilla durch die entrückten deutschen Lande des 21. Jahrhunderts, um von den Enfant Terribles eines früheren Untergrundes zu erzählen, von ihren Leben, ihren Begegnungen und von einer Epoche, der Franz Fühmann an Christa Wolf den Sinn einschrieb, „dass sie uns zueinander rückt“.